Die EG soll eine
Bodenschutz-Strategie erhalten
- Kommission verabschiedet
Strategie-Papier und Entwurf einer Rahmen-Richtlinie
-
Unter dem 22. September hat die Europäische
Kommission erstmals ein umfassendes Konzept für das
Umweltmedium "Boden" beschlossen (Az. KOM(2006)231
und 232). Nähere Informationen sowie Verweisungen zu
den Original-Dokumenten finden sich auf der
Internet-Seite
http://ec.europa.eu/environment/soil/index.htm
Vorausgegangen waren aufwendige Vorarbeiten sowie
Verzögerungen in der Kommissions-internen
Abstimmung. Die Zeitplanungen aus der Mitteilung
"Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie"
(KOM(2002)179) sind dadurch weit überholt worden.
Auch das ursprüngliche Konzept, das u.a. eine
Vereinheitlichung der Bodenmonitoring-Maßnahmen in
der EG sowie eine Richtlinie über Bioabfälle vorsah,
wurde im Zuge der Beratungen drastisch "verschlankt".
In
ihrer Strategie, also der politischen
Absichtsbekundung der Kommission, stellt diese vier
"Säulen" dar, auf denen die Politik für den
Bodenschutz aufbauen soll:
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Die Rahmen-Richtlinie,
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die Einbeziehung von Bodenschutzbelangen in andere
Maßnahmen der EG,
-
das Schließen von Kenntnislücken durch
Forschungstätigkeiten,
-
die Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit im Bereich
des Bodenschutzes.
Aus rechtlicher Sicht bedeutsam ist vor allem der
Entwurf einer Richtlinie "zur Schaffung eines
Ordnungsrahmens für den Bodenschutz", die mit dem
Beschluss der Kommission in das
Normsetzungsverfahren der EG gegeben wurde
(2006/0086 (COD)). An dem Entwurf ist zunächst
bemerkenswert, was er nicht enthält: Ein
einheitliches Erfassungs- und Monitoringsystem für
Bodendaten ist nicht mehr vorgesehen; die
Qualitätsanforderungen für Bioabfälle sollen jetzt
im Rahmen des Abfallrechts festgelegt werden
(wenngleich sich die Bundesregierung weiterhin für
eine spezielle Richtlinie zu diesem Thema einsetzt).
Der Richtlinien-Entwurf enthält vor den
Schlussbestimmungen vier Kapitel. Im ersten Kapitel
wird zunächst der Boden - ähnlich dem deutschen
Recht - als Träger von ökologischen,
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Funktionen beschrieben. Die dort enthaltene
Aufzählung rückt die Einbindung in die natürlichen
Lebensgemeinschaften noch stärker in den Hintergrund
als das deutsche Recht. Der Boden erscheint im
Wesentlichen als eine "genutzte Ressource".
Nach dieser Definition enthält das erste Kapitel
einige sehr allgemeine Regelungen zu Aspekten des
vorsorgenden Bodenschutzes. Die Mitgliedstaaten
werden aufgefordert, Landnutzer zu Vorsorgemaßnahmen
zu verpflichten, welche die Beeinträchtigung von
Bodenfunktionen möglichst vermindern sollen (Art.
4). Speziell für die Beeinträchtigung durch
Versiegelung wird in Art. 5 dieser
Minimierungsgrundsatz noch einmal betont.
Das zweite Kapitel enthält unter der Überschrift
"Risikovermeidung und -minderung, Wiederherstellung"
das erste konkrete Schutzkonzept der Richtlinie. Die
Mitgliedsstaaten sollen zu den fünf Risikofaktoren
-
Erosion,
-
Verlust organischer Substanz,
-
Verdichtung,
-
Versalzung,
-
Erdrutsche
die besonders gefährdeten Risikogebiete
identifizieren und hierfür geeignete Schutzkonzepte
entwickeln. Zur Bestimmung der Risikogebiete nennt
der Richtlinien-Entwurf in Anhang I Kriterien, d.h.
Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden sollen;
quantitative Orientierungsgrößen werden nicht
genannt. Die Maßnahmenprogramme, mit denen die
Mitgliedsstaaten den erkannten Risiken begegnen
sollen, sind in weitem Umfang ihrem Ermessen
überlassen.
Im
dritten Kapitel "Bodenverunreinigung" wendet sich
der Entwurf seinem zweiten konkreten Projekt zu: Es
soll ein europaweiter Rahmen für die Erfassung und
Sanierung von Altlasten vorgegeben werden. Hierzu
haben die Mitgliedsstaaten zunächst Flächen, auf
denen "potentiell verschmutzenden Tätigkeiten
stattgefunden haben", systematisch zu erfassen. Die
betreffenden Flächen sind im Anhang II genau
bezeichnet: Neben Tankstellen, chemischen
Reinigungen, Abfalldeponien und ehemaligen
Militärstandorten finden sich dort auch alle
industriellen Tätigkeiten gemäß Anhang I der
IVU-Richtlinie (RL 96/61/EG) ohne Rücksicht auf die
dort genannten Schwellenwerte. Lediglich
Kleinstbetriebe werden ausgenommen.
Art. 11 verlangt zunächst die für Altlasten übliche
schrittweise Bewertung: Wenn sich der abstrakte
Verdacht durch konkrete Untersuchungen erhärtet,
müssen die Gefahren für Mensch und Umwelt
anschließend genauer ermittelt werden. Nach Art. 13
sind dann Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, die
gemäß Art. 14 in eine "Nationale
Sanierungsstrategie" einzubetten sind.
Ein Politikum hohen Ranges bildet in diesem
Zusammenhang die Vorgabe in Art. 13, wonach jeder
Mitgliedsstaat ein Finanzierungsinstrument für
diejenigen Altlastenflächen schaffen muss, deren
Verursacher nicht mehr belangt werden können.
Ein weiterer bemerkenswerter Ansatz ist der
"Flächenpass" für Grundstücksveräußerungen, den Art.
12 des Entwurfes vorsieht: Wer eine Fläche verkauft,
auf der die potentiell verschmutzenden Tätigkeiten
nach Anhang II stattgefunden haben, muss dem Käufer
einen Bericht über den Zustand des Bodens vorlegen,
den ein Sachverständiger erstellt hat. Dieses
Instrument bedeutet im Vergleich zur deutschen
Rechtslage eine Neuerung. Es kann dazu beitragen,
den Verursacher von Bodenverunreinigungen zum
Anerkennen seiner Verantwortung zu zwingen.
Bei den fachlichen Vorgaben für die Erfassung und
Bewertung von Altlasten ist der Richtlinien-Entwurf
reichlich lückenhaft. Neben einem Verweis auf das
Gefahr-stoffrecht als Ausgangspunkt für die Suche
nach den relevanten Schadstoffen werden die
bedeutsamen Vorgaben, welche Konzentrationen als
gefährlich und sanierungsbedürftig zu gelten haben,
den Mitgliedsstaaten überantwortet. Dies ist umso
unbefriedigender, als bereits in der Richtlinie
2004/35/EG über die Umwelthaftung der Tatbestand
einer Bodenschädigung, die die menschliche
Gesundheit gefährdet, geregelt ist. Es müsste
zumindest möglich sein, eine solche
Gesundheitsgefahr für alle Bürger der EG einheitlich
zu beschreiben.
Eine "Hintertür", um die Methoden der
Risikobewertung von Altlasten doch anzugleichen,
sieht der Entwurf in Art. 18 vor: Wenn die ersten
Umsetzungsberichte einen Bedarf für die Angleichung
ergeben, kann die Kommission in einem
Ausschussverfahren gemeinsame Kriterien beschließen.
Offenbar benötigt gerade der Bodenschutz einen sehr
langen Atem. Es bleibt zu hoffen, dass die
Bodenschutz-Richtlinie die Hürden des
Normsetzungsverfahrens erfolgreich überwindet -
trotz der prinzipiellen Ablehnung, die starke
Interessengruppen in Deutschland bereits formuliert
haben. Die Richtlinie sollte ein politisches Signal
für den Bodenschutz setzen, also für ein Themenfeld,
dessen hohe Bedeutung für Mensch und Natur in einem
bedauerlichen Gegensatz steht zu der sehr geringen
Aufmerksamkeit, die ihm in der öffentlichen
Diskussion und Berichterstattung zuteil wird. |